Uniper darf nicht reprivatisiert werden
Mai 19, 2025

Die Bundesregierung will den frisch verstaatlichten Energiekonzern Uniper wieder privatisieren. Das ist eine schlechte Idee.

Dieser Artikel von Justus und Max erschien ursprünglich in dem Wirtschaftsmagazin Surplus. Wir machen ihn hier zugänglich. 

Der Energiekonzern Uniper ist so zentral für die deutsche Energieversorgung, dass ihn die Bundesregierung erst Ende 2022 mit Milliarden an Steuergeldern stabilisierte und damit verstaatlichte. Doch das könnte sich wieder ändern. Michael Lewis, CEO von Uniper, war vor wenigen Wochen Teil der Entourage von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in Katar. Ihr Ziel war es, die Geschäftsbeziehungen mit dem gasreichen Emirat zu knüpfen. Befindet sich der deutsche Staat auf »Brautschau«, um Großinvestoren ins Boot zu holen – in einem Land, das für seine Missachtung von Menschenrechten bekannt ist? Uniper setzt gerade alles daran, für den Kapitalmarkt attraktiv zu werden

Leider systemrelevant

Der Reihe nach: In der Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs geriet der Gasimporteur und -händler Uniper in existenzielle Schwierigkeiten. Als die Gaslieferungen aus Russland schlagartig ausblieben, explodierten die Kosten für die Ersatzbeschaffung. Zu viel für den privaten Konzern, der vor knapp 10 Jahren als »fossile Bad Bank« aus dem Energiekonzern E.ON herausgelöst wurde und durch den Energiepreisschock im Sommer 2022 in eine schwere Krise geriet.

Das damalige Problem für die Bundesregierung: Uniper hält nicht nur ein Viertel der deutschen Gasspeicherkapazitäten im Portfolio, sondern beliefert auch über 1000 Stadtwerke und Industrieunternehmen mit Energie. Zum Zeitpunkt der Krise lieferte Uniper laut Bundesregierung circa 40 Prozent des gesamten Gasbedarfs in Deutschland. Uniper war ganz offensichtlich systemrelevant und sollte als Teil kritischer Energie-Infrastruktur nicht so einfach zahlungsunfähig werden.

Der Bund erwarb über 90 Prozent der Uniper-Anteile durch eine Kapitalzuführung von etwa 8 Milliarden Euro. Da diese Rettungsaktion als staatliche »Beihilfe« (also einen genehmigungspflichtigen Eingriff in den auf EU-Ebene streng geschützten Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt) gilt, verlangt die EU-Kommission als Auflage die Reprivatisierung: Bis 2028 muss der Bund seine Anteile auf 25 Prozent plus eine Aktie reduzieren. Die alte Ampel-Regierung hatte dagegen nichts einzuwenden und sucht nach der Stabilisierung der Energiemärkte bereits nach Investoren.

Doch zur Reprivatisierung gibt es eine viel sinnvollere Alternative: Uniper könnte in öffentlicher Hand bleiben und dabei – aus reinem Staatseigentum – in demokratische Gemeinwirtschaft überführt werden. So könnte es ein wichtiger Baustein einer ambitionierten energiepolitischen Industriestrategie werden. In öffentlicher Verantwortung könnte Uniper kostengünstig ökologisch umgebaut werden und gleichzeitig dazu beitragen, die Dekarbonisierung von Industrie und Kommunen zu beschleunigen. Denn nicht nur Uniper, sondern der gesamte Gassektor wäre besser in öffentlichem Eigentum aufgehoben. Um den schnellen Ausstieg aus dem Gas und den Aufbau der Erneuerbaren synchronisiert voranzutreiben und dabei nicht wie gehabt private Renditen und Krisengewinne mitzufinanzieren, braucht es den Einstieg in den Ausstieg aus der Privatisierung des Energiesektors.

Teuer und fossil: Warum die Reprivatisierung ein Fehler wäre

Investoren, die jetzt neu ins Gasgeschäft einsteigen, wollen schnelle Renditen sehen. Zu unsicher ist, wie lange die Gewinne aus dem Gas- und Ölgeschäft noch uneingeschränkt sprudeln. Dieser kurzsichtige Renditedruck würde den ohnehin fragilen und wenig ambitionierten Dekarbonisierungspfad von Uniper gefährden. Nach der Verstaatlichung wurde zwar eine neue strategische Ausrichtung vorgestellt und circa 8 Milliarden Euro Investitionen in erneuerbare Energien angekündigt. Doch ist das im Branchenvergleich eher wenig und reicht bei weitem nicht aus, um den fossilen Fußabdruck des Konzerns substanziell zu verkleinern. Zudem beziehen sich diese Investitionen überwiegend auf die wenigen eigenen Produktionskapazitäten und nicht auf den lukrativen Gasimport und -handel.

Statt kurzfristig Eigenkapitalrenditen für neue Investoren oder den Staat zu maximieren, sollte jeder erwirtschaftete Euro in eine langfristige Dekarbonisierungsstrategie fließen. Fossile Investoren bringen zusätzliche Risiken für den ohnehin unsicheren Investitionspfad von Uniper mit sich. Gleichzeitig werden damit Akteurinnen im deutschen Energiesektor gestärkt, die bei einem möglichen ambitionierten Gasausstieg auf Schadensersatz klagen könnten. Der möglichst schnelle und geordnete Abbau fossiler Strukturen bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit ist in öffentlicher Hand besser aufgehoben. Denn unter privater Eigentümerinnenschaft wird es nicht besser: Private Investoren werden so lange wie möglich Renditen aus dem Gasgeschäft abschöpfen und bei strengerer Klimapolitik möglicherweise ihre Profite über Klimaklagen zurückholen.

Uniper in Gemeinwirtschaft – die Alternative zur Privatisierung

Da Uniper bereits in staatlichem Besitz ist, geht es anders als bei aus dem Wohnungssektor bekannten Vergesellschaftungskonzepten (etwa bei der Kampagne Deutsche Wohnen und Co. enteignen) nicht primär um den Eigentumsübergang. Eine Vergesellschaftung würde eine grundlegende Transformation der Governance-Struktur, des Unternehmenszwecks und der gesellschaftlichen Einbindung beinhalten. Uniper in Gemeinwirtschaft wäre ein demokratisch kontrolliertes Gemeinwohlunternehmen mit dem Ziel und Zweck, einen synchronisierten und schnellen Aufbau von Erneuerbaren und Abbau von fossilen Kapazitäten zu koordinieren, gerechte Übergänge für die Arbeitnehmenden zu organisieren und Kosten und Nutzen der Energiewende gerechter zu verteilen. Als Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung in Teilmärkten der Energieversorgung ist Uniper prädestiniert für eine solche Politik.

Die aktuellen Geschäftsbeziehungen zur kommunalen Energieversorgung über die Stadtwerke sollten zu einer echten Partnerschaft und kooperativer Marktgestaltung ausgebaut werden. Uniper könnte mit Stadtwerken und lokalen Stakeholdern verbindliche und schnelle Dekarbonisierungspläne erarbeiten und in dem Kontext zu günstigen und planbaren Konditionen mit klarem Abschaltpfad Gas für die lokale Daseinsvorsorge liefern. Der Rückbau fossiler Geschäftsbereiche und der Ausbau von Alternativen können unter einem Dach effizient und sozial ausgewogen gestaltet werden. Planbare Ausstiegspfade, verbindliche Transformationsziele und echte Mitbestimmung würden im Idealfall Akzeptanz für alle Beteiligten schaffen.

Die alte Bundesregierung stellte die Reprivatisierung aufgrund des Beihilferechts als alternativlos dar, doch das hatte wie so oft mehr mit politischem Unwillen und Unkreativität, als mit juristischen Hürden zu tun. Dies wird sich mit der Merz-Regierung kaum ändern. Trotzdem lohnt es sich, Schritte hin zu einem Einstieg in die Entmarktlichung und Dekarbonisierung des Energiesektors zu konkretisieren und den bestehenden Konsens einer an privatem Kapital orientierten Energiewende anzugreifen.

Zumindest rein rechtlich bestehen dafür keine unüberwindbaren Hürden: Die Bundesregierung könnte die Reprivatisierungsauflage beispielsweise erfüllen, indem sie Anteile an gemeinwirtschaftliche Partner überträgt, statt sie gewinnbringend an Investoren zu verkaufen. Denkbar wären gemäß historischen Beispielen der Gemeinwirtschaft Beteiligungsunternehmen der DGB-Gewerkschaften oder Verbünde von Energiegenossenschaften und Stadtwerken. Auch eine Vergesellschaftung mittels Art. 15 des Grundgesetzes wäre möglich: Die Auflage der EU-Kommission sieht vor, dass der deutsche Staat bis 2028 seine Anteile reduziert oder alternativ einen neuerlichen »Umstrukturierungsplan« vorlegt. Dieser eröffnet dem Gesetzgeber zufolge einen Möglichkeitsraum, um der EU-Kommission Alternativen zur Teilprivatisierung anzubieten. Dies hätte sicherlich mehr Reibungsfläche in der Konfrontation mit der EU-Kommission, aber würde die Auseinandersetzung um Vergesellschaftungspotenziale im Energiesektor vorantreiben.

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