Wie Privateigentum tötet
Mai 1, 2021

Der globale Streit um die Corona-Impfstoff-Patente

Die Debatte um die Corona-Impfung ist in letzter Zeit etwas ruhiger geworden. Seit ein paar Wochen werden in Deutschland mehr Menschen geimpft. Trotz hoher Inzidenzen wird deshalb der inzwischen knapp fünfmonatige Freizeit-Lockdown teilweise gelockert. Das Ende der Pandemie scheint nah. Noch vor ein paar Wochen beherrschten andere Töne die Medien: Zu wenig Impfstoff, schlechte Organisation der Verteilung und so weiter. Schuld waren entweder Jens Spahn, die EU oder Astrazeneca.

Die strukturellen Ursachen waren und sind  in der öffentlichen Diskussion aber immer eher Hintergrundrauschen. Nur hin und wieder kommt die Debatte auf die Frage der Patente oder die Produktion der Impfstoffe zu sprechen, noch seltener wird über globale Zusammenhänge berichtet. Während hierzulande die Impfquote inzwischen die Marke von 20% (bei Erstimpfungen) überschritten hat, ist in manchen Ländern des Globalen Südens bislang noch gar nicht geimpft worden.

Der Grund dafür sind die Eigentumsrechte, die bestimmten Konzernen das Monopol darauf sichern, die bislang entwickelten und zugelassenen Impfstoffe zu produzieren. Diese können die global benötigten Mengen an Impfstoff selbst nicht produzieren und haben zudem ein Interesse daran, den Impfstoff zu Preisen zu verkaufen, die sich die meisten Menschen und Staaten im Globalen Süden nicht leisten können. Die Patente sichern so den Profit der Pharmakonzerne, verhindern jedoch, dass andere Staaten oder Unternehmen in die Produktion einsteigen könnten, um ausreichend Impfstoff für alle zu produzieren. Dieses System führt so zu einer globalen Impfstoffknappheit in einer Zeit, in der die schnelle Immunisierung der gesamten Weltbevölkerung zur Überwindung der Pandemie notwendig ist. Bereits jetzt wird sichtbar, dass eine Durchseuchung großer Teile der Weltbevölkerung zur Entwicklung von Mutationen des Corona-Virus führt, die die Erfolge der Impfkampagne (auch im Globalen Norden) wieder zunichte machen könnten. Das Patentsystem sichert also die Gewinne einiger Unternehmen, anstatt die Bedarfe der globalen Pandemiebekämpfung zu decken. Die Garantie des Privateigentums führt zu massenhaftem Sterben und einer Verlängerung der Pandemie über die nächsten Jahre hinweg – und das selbst in den Ländern des Globalen Nordens.

Ein Vorschlag zur kurzfristigen Lösung des Problems kommt aus den Ländern des Globalen Südens, die sich bei der Welthandelsorganisation (WHO) für die vorübergehende Aussetzung der Patentrechte aufgrund der globalen Notlage einsetzen. Die Möglichkeit eines solchen „Waiver“ ist in den Verträgen der WHO festgeschrieben, wird jedoch von den Ländern des Globalen Nordens, in denen die Pharmaunternehmen sitzen, die die Patente an Corona-Impfstoffen halten, blockiert.

Jenseits der Notwendigkeit einer solchen kurzfristigen Lösung zeigt die aktuelle Problematik jedoch auch, dass es einer grundsätzlich anderen Organisation der globalen Gesundheitsversorgung bedarf. Nicht nur Corona-Impfstoffe sind in vielen Ländern kaum zugänglich; dasselbe gilt für viele andere lebensnotwendige Medikamente, beispielsweise gegen HIV oder Hepatitis C. Die Ergebnisse der Medikamenten- und Impfstoffforschung, die sowieso bereits zu großen Teilen öffentlich finanziert ist, müssen globale Gemeingüter und damit allen Menschen zugänglich werden. Denn Patente töten!

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