Theresa Herdlitschka beschäftigt sich seit einigen Jahren mit den Rohstoffen, die unter anderem die erneuerbaren Energien benötigen. Luise von communia hat dazu dieses Gespräch über EU Diskurse, Vergesellschaftung und Recycling von Windräderköpfen mit ihr geführt.
Luise: Wir beschäftigen uns in unserem Energieprojekt mit einer demokratischen und gemeinwohlorientierten Energiewende in öffentlichem Eigentum. Beim Umbau auf Erneuerbare muss noch enorm viel aufgebaut werden. Dabei spielt auch die Rohstoffbasis, die dafür nötig ist eine entscheidende Rolle: Welche Rohstoffe sind bei Erneuerbaren besonders von Bedeutung?
Theresa: Bei Wind ist Zink und Kupfer ganz groß. Bei Solar Seltene Erden und Kupfer. Aber auch mit dem Wissen ist es immer noch sehr kompliziert, dann auch die Lieferketten detailliert nachzuvollziehen. Der Teufel sitzt da im Detail.
Insgesamt gibt es den Begriff der Energy Transition Minerals. Ich habe mir in meiner Forschung die Debatten zur Rohstofffrage auf EU Ebene der letzten 20 Jahre angeguckt und gucke jetzt gerade in die aktuellen Politikentwicklungen. 2013 -14,-15 als auch die Debatten zum Klimawandel und erneuerbaren Energien immer größer wurden, gab es auf einmal diesen Begriff der Energy Transition Minerals. Und aus diskurstheoretischer Perspektive ist es ganz spannend, weil natürlich braucht es für die erneuerbaren Energien gewisse Rohstoffe. Ein Rohstoff, der ja immer viel im Gespräch ist, wie zum Beispiel Lithium wird am meisten für Elektroautos verwendet. Von Energy Transition Minerals zu sprechen ist natürlich gesellschaftlich vereinbarer mit Green Growth und Greenwashing Strategien.
Hinzukommt jetzt seit 2023 ein neuer Begriff, sogenannte strategische Rohstoffe. Das ist eine politisch gewählte Kategorie, das sind ganz einfach Rohstoffe, die in den Sektoren Digitales, Energiewende und Militär wichtig sind. Aber da gibt nicht mal eine Klassifikation, sondern es ist einfach eine politische Definition, was gesellschaftlich strategisch wichtige Sektoren sind. Und da wird Energiewende und Energietransformation schon immer als einer genannt.
Luise: Und weißt du, woher die Rohstoffe für die Energiewende vor allem kommen?
Theresa: Es ist so, dass Deutschland und Europa enorm importabhängig sind. Die drei großen Lieferanten sind entweder Argentinien, Chile oder China. Und je nachdem für unterschiedliche Rohstoffe. Es gibt eine relativ starke Rohstoffkonzentration. Politisch ist ja das Ziel, wenn eine Quelle aus geopolitischen Gründen wegfällt, dass man noch eine andere zur Verfügung hat. Aber bei relativ vielen Stoffen gibt es so ’ne hohe Konzentration und China ist da der biggest Player, gerade für zum Beispiel sowas wie seltene Erden. Da haben die einfach ein sehr, sehr hohes Monopol.
Luise: Und hast du eine Position dazu entwickelt, wie sich dieser Rohstoffbezug positiv verändern könnte?
Theresa: Ich glaube, dass die Frage eigentlich noch mal andersrum gestellt werden muss. Also die Frage, welche Rohstoffe brauchen wir und für was brauchen wir die. Ich glaube, dass voll viel Potenzial darin besteht, gesellschaftlich zu definieren, was wichtige Güter sind.
Und dann auch die Rohstoffe für diese Güter zu versuchen, bereitzustellen und irgendwie auf einem möglichst gesellschaftlich verträglichen und im Idealfall auch in irgendeiner Form kollektivierten Zugang. Ich glaub, die Frage gerade ist ja einfach: Es gibt immer mehr Nachfrage und immer mehr Nachfrage und die ganzen Umweltauswirkungen, CO2-Auswirkungen, sozialen Auswirkungen an den Orten, wo das abgebuddelt wird, sind so immens. Mein Zugang wäre erstmal, dass gesellschaftlich definiert werden müsste, was eigentlich wichtige Rohstoffe sind, wofür wir die brauchen und warum wir die brauchen.
Um eine Position der Vergesellschaftung von Rohstoffen zu entwickeln: Ich glaube, was da das Problem ist, Rohstofffirmen sind einfach riesige internationale börsennotierte Unternehmen. Man muss erstmal verstehen, wie die eigentlich funktionieren. Ich war letztens auf einer Veranstaltung, wo eine Bürger-Ini aus dem Erzgebirge gesprochen hat, die sich mit diesen Firmen dort auseinandersetzen und die aufgedröselt haben, wer dann da Shareholder ist und da Shareholder und so weiter.
Luise: Im Erzgebirge ist das gerade auch ein Thema?
Theresa: Ja, im Osterzgebirge, in der Grenzregion zwischen Deutschland und Tschechien in der Nähe von Altenberg gibt es Lithiumvorkommen. Der Claim dort von den Leuten, die da vor Ort sind, ist, dass sie irgendwie beteiligt werden möchten, weil sie auch die ganzen Auswirkungen davon haben – von Explorationsbohrungen über Infrastrukturausbau. Also ich glaube am drängendsten dort ist eine Beteiligungsfrage bei den direkten Betroffenen. Ich habe auch mit verschiedenen NGOs Interviews geführt und ich glaube, allein das ist schon so ein dickes Brett. Vergesellschaftung steht da momentan irgendwo ganz hinten, würde ich sagen.
Luise: Ja, macht Sinn. Wie kam es, dass diese Region ausgewählt wurde?
Theresa: Seit 2023 gibt es überhaupt die erste Rohstoffverordnung in der EU, den Critical Raw Materials Act. Und die EU hat 2023 im Kontext dessen strategische Projekte ausgerufen, die dazu beitragen sollen, dass Rohstoffextraktion, Weiterverarbeitung und Refinement wieder in Europa stattfindet. Und die Realisierung dieser Projekte soll von vereinheitlichten und verkürzten Genehmigungsverfahren profitieren. Projektträger, also meistens Unternehmen, konnten sich bei der EU um die Auszeichnung als strategisches Projekt bewerben. In einer ersten Runde im März 2025 wurden so 47 Projekte in 13 EU Mitgliedstaaten ausgewählt. Die deutsche Firma, die sich beworben hat, hat es nicht bekommen. Aber die Firma, die sich auf dem tschechischen Teil beworben hat. Heißt das tschechische Projekt ist strategisches Projekt geworden. Das ist irgendwie auch so ganz spannend, warum dann das und nicht das deutsche Projekt.
Luise: Und die Leute auf der deutschen Seite fordern aber auch Beteiligung.
Theresa: Ja, aber soweit ich es weiß vor allem für das Vorhaben, das auf deutscher Seite nach wie vor geplant wird, auch ohne strategisches Projekt zu sein. Generell stellen aber sogenannte „Cross-border“ Regionen was Planung und Beteiligung angeht, immer wieder eine Herausforderung dar. Die Planungen werden national abgestimmt, betreffen aber eventuell auch anliegende Regionen. Gerade wenn es dann noch unterschiedliche Sprachräume sind, läuft die Informationsweitergabe oft schlecht und Betroffene werden nicht mit einbezogen. Im Erzgebirge sind die zivilgesellschaftlichen Initiativen aber mittlerweile vernetzt und tauschen sich aus soweit ich weiß.
Luise: Ja, interessant, was ja weltweit auch die ganze Zeit passiert.
Theresa: Ja.
Luise: Welche Möglichkeiten von Ressourcenkreisläufen gibt es bei erneuerbaren Energien?
Theresa: Was mir gerade am ehesten einfällt, ist, dass es ja zum Beispiel, ein Windrad hat immer so um die 20 Jahre Lebensdauer. Und es gibt Firmen, die die sozusagen wieder abbauen, so refurbished quasi dann wieder an anderen Orten verkaufen. Das existiert auf jeden Fall. Und was der krasse Vorteil ist, alles was mit Metallen zu tun hat das kannst du eigentlich ewig recyceln. Also das ist anders als Plastik, wo du ja das Argument hast, OK, irgendwann ist die Qualität so schlecht, du kannst es nicht mehr nehmen. Also da kannst du theoretisch lange Recyclingkreisläufe erzielen. Gleichzeitig spielt bei Erneuerbaren Energien die Zeitlichkeit eine große Rolle, weil die Anlagen noch nicht bestehen, die es braucht für eine tatsächliche Energiewende. Recycling ist da eher eine Frage der Zukunft.
Luise: Soweit ich weiß, werden Windräder dann ausgetauscht, wenn sie noch effizienter werden sollen
Theresa: Ja, das heißt Repowering, da wird immer einfach was obendrauf gebaut. Der Sockel bleibt dann stehen, die sind dann immens hoch und haben dann so eine noch höhere Leistungsstärke. Der alte Kopf wird dann im Zweifel irgendwo in ein anderes europäisches Land gefahren. Da gibt es schon Kreisläufe.
Grundsätzlich ist es aber schon verwunderlich, dass Ansätze der Kreislaufwirtschaft im Bereich Minerale und Metalle noch so unterrepräsentiert sind. Das liegt manchmal daran, dass Daten und auch Wissen fehlen und eben nicht alle Stoffe sich für Recycling eignen. Gleichzeitig kann Kreislaufwirtschaft ja mehr sein als Recycling. Da geht es eben um Wiederverwendung aber auch um Reduktion von Verbräuchen. Weil die letzten Jahre politisch vor allem auf die Sicherstellung von Rohstoffimporten und -extraktion fokussiert wurde, gibt es da echt noch einiges aufzuholen. Die Wissenschaft ist da nämlich teilweise schon viel weiter und hat gute Ansätze sowohl für Recycling, Reuse aber auch Verbrauchsreduzierungen, wird aber politisch wenig gehört und hat teilweise auch nicht die richtige Sprache. Erkenntnisse müssten besser für politische Entscheiderungsträger*innen übersetzt werden. Und das ist auch eine Voraussetzung, wenn wir uns Vergesellschaftung bei Rohstoffextraktion, Rohstoffhandel und neuen Rohstoffkreisläufen vorstellen.



