Dieser Text entstand in Vorbereitung auf eine Podiumsdiskussion der Linksfraktion in der Bremischen Bürgerschaft am 25.11.2024 in Bremen. Unter dem Titel „Linke Wirtschaftswende jetzt: ökologisch und solidarisch für Bremen“ diskutierten die linke Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt, der Ökonom Prof. Rudolf Hickel und Lukas Warning von communia. Der Text stellt die zentralen Argumente von Lukas vor. Die gesamte Veranstaltung lässt sich hier nachschauen.
Im Einladungstext zu dieser Veranstaltung fragt die Linksfraktion: „Wie können wir den zerstörerischen Kapitalismus hinter uns lassen und eine gerechtere und ökologischere Wertschöpfung gestalten?“ Das halte ich für genau die richtige Frage – allerdings glaube ich, dass die aktuelle Wirtschaftspolitik in Bremen und darüber hinaus diese Frage nach der Überwindung des Kapitalismus nicht beantworten kann und auch nicht beantworten will. Um das zu zeigen, ist es wichtig, ihre Grundannahmen und Prinzipien transparent zu machen.
Prinzipien konventioneller Wirtschaftspolitik
Wirtschaftspolitik bedeutet heute überall Standortpolitik; auch in Bremen hat keine linke Wende stattgefunden, obwohl seit 2019 Kristina Vogt von der LINKEN Wirtschaftssenatorin ist. Das zentrale Prinzip der Standortpolitik ist: die Politik muss mit allen Mitteln private Unternehmen unterstützen, damit diese sich vor Ort ansiedeln bzw. nicht abwandern. Da der Zweck eines privaten Unternehmens im Kapitalismus die Maximierung des Profits der Eigentümer*innen ist, zielt die Förderung auf die Sicherung dieses Profits ab.
Wenn das Unternehmen in meiner Stadt am profitabelsten sein kann, wird es hier bleiben. Wenn es hier bleibt, zahlt es im besten Fall Steuern (es sei denn, sie wurden im Rahmen der Wirtschaftsförderung (teilweise) erlassen) und „schafft“ Arbeitsplätze (es sei denn, es ist profitabler, die Belegschaft im Laufe der Zeit zu reduzieren, einen Teil doch zu verlagern oder die Produktion zu automatisieren). Es gibt keinen Automatismus und keinen Deal zwischen Politik und Unternehmen: Die Profite werden durch politische Intervention gesichert. Und dann wird gehofft. Denn das Unternehmen ist nur seinen Eigentümer*innen verpflichtet. Bei jeder Gelegenheit, und wenn nicht immer mehr Fördermittel bereit gestellt werden, kann das Unternehmen jederzeit doch abwandern oder schließen. Damit ist die Politik stets unter Zugzwang und macht sich de facto erpressbar.
Was noch wichtiger ist: Politik gibt in diesem Selbstverständnis die Möglichkeit auf, aktiv gestaltend einzugreifen. Wenn wir zum Beispiel Klimaziele erreichen müssen oder bestimmte Produkte wie Privatjets oder Kriegswaffen nicht mehr herstellen wollen, kann diese Wirtschaftspolitik das nicht steuern. Denn das würde die Unternehmen möglicherweise in ihrem Profit einschränken und damit verschrecken. Die Hoffnung auf Jobs und Steuereinnahmen wäre dann dahin.
Da also nicht „die Wirtschaft“ gestaltet wird, sondern Konzerne und ihre Eigentümer*innen gefüttert werden, sollten wir von Kapital-Förderung statt von Wirtschaftspolitik reden. „Die Wirtschaft“ sind tatsächlich wir alle; die die arbeiten und Wohlstand schaffen und mit dem versorgt werden, was wir benötigen. Entschieden wird über die Gestaltung dieses Wirtschaftens im Kapitalismus allerdings von den Eigentümer*innen und ihre Entscheidungen müssen sie nach dem höchst möglichen Profit ausrichten, nicht danach, was im Sinne des Gemeinwohls ist.
Die Standortpolitik akzeptiert diese Verfügungsgewalt, die mit Eigentum einhergeht, und verzichtet damit auf ihre gestaltenden Möglichkeiten. Eine linke Wirtschaftspolitik würde hingegen erfordern, dass wir uns ehrlich machen und den bestehenden Interessenskonflikt benennen. Linke Wirtschaftspolitik muss den Anspruch haben, die Wirtschaft bedürfnisorientiert, sozial und ökologisch zu gestalten. Dies erfordert, dass wir uns sehr gut und gemeinsam zu überlegen, wie wir wirtschaften wollen. Wir haben ein Interesse an guter, sinnvoller, sicherer und gerecht verteilter Arbeit und an einer gerechten und schnellen sozial-ökologischen Transformation. Das Kapital hat das Interesse, Profit zu maximieren. Es geht also nicht darum, einen Konflikt heraufzubeschwören oder zu provozieren. Er ist schon da!
Die Gegenseite weiß übrigens sehr genau, worum es hier geht. Die Bremer Handelskammer vertritt eben nicht „die Wirtschaft“, sondern Eigentümer*inneninteressen. Die FDP und Friedrich Merz sind ideologisch gefestigt: sie wissen, dass sie Kapitalinteressen vertreten und machen das auch sehr gut. Wir sollten uns daran erinnern, wessen Interessen wir vertreten müssen, wessen Partei wir ergreifen sollten, welche Partei wir in diesem Konflikt sind. Linke Wirtschaftspolitik geht nur in Konfrontation mit der Kapitalseite.
Linke Wirtschaftspolitik: Arcelor Mittal und Vergesellschaftung
Das Stahlwerk von Arcelor Mittal ist einer der größten CO2-Verursacher in Bremen. Die Umstellung auf Grünen Wasserstoff (d.h. Wasserstoff aus erneuerbaren Energien) ist unumstritten notwendig. Um den Umbau und Erhalt von circa 3000 Arbeitsplätzen zu sichern, haben Bund und Land dem Konzern über 800 Millionen Euro Förderung versprochen. Im letzten Jahr hat der Mutterkonzern übrigens 2 Milliarden Dollar an Profiten an seine Eigentümer*innen ausgeschüttet. Dennoch schien bis vorige Woche alles seinen Weg zu gehen. Zuerste die Profite gesichert, danndie Gegenleistung. Dann kam aber das böse Erwachen. Offenbar überlegt der Konzern, den Umbau doch nicht zu machen, es sei denn die Bundespolitik zahlt einen Teil der Stromkosten. Das wirkt skandalös, ist es aber gar nicht. Das ist auch nicht „böse gemeint“. Hier macht eine private Firma im Kapitalismus das, was eine private Firma im Kapitalismus machen muss. Sie trifft Entscheidungen danach, wie sie den Profit ihrer Eigentümer*innen maximieren kann.
Wenn sich das Ganze nicht rechnet und der Bund auch nicht einlenkt, dann entscheidet Arcelor Mittal sich eben für einen „alternativen Dekarbonisierungspfad“ und macht das Werk in Bremen dicht. Oder sie nehmen das Geld am Ende doch an für den Umbau und nutzen die geplanten Schlupflöcher, die ihnen erlauben, bis Ende der 2030er doch Erdgas statt grünem Wasserstoff zu verbrennen. So oder so werden sie weiter produzieren, womit sie am meisten Profit machen. Aktuell sind das zu 50% Autoblech für eine Branche, die aus Klimagründen ebenfalls dringend umgebaut werden muss.
Erneuerbarer Strom wird immer ein knappes Gut sein, sodass wir als Gesellschaft gut überlegen müssen, wofür wir den begrenzt verfügbaren grünen Stahl einsetzen wollen. Wir brauchen notwendige Güter aus nachhaltiger Produktion statt klimaschädliche Verschwendung von Ressourcen. Doch die aktuelle Wirtschaftspolitik sieht eine solche Intervention nicht vor. IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban hat vergangenes Jahr ganz grundsätzlich gesagt: „Wo öffentliches Geld fließt muss öffentliches Eigentum entstehen!“ Aber das ist eben nicht geplant.
Zum Glück – und jetzt komme ich endlich zu echter linker Wirtschaftspolitik – gibt es in der Bremer Landesverfassung für genau diesen aktuellen Fall die perfekte Handlungsanleitung.
Da steht: „Eigentum verpflichtet gegenüber der Gemeinschaft. Sein Gebrauch darf dem Gemeinwohl nicht zuwiderlaufen.“ Ansonsten können unter anderem „durch Gesetz in Gemeineigentum überführt werden: Unternehmen, die volkswirtschaftlich notwendig sind, aber nur durch laufende staatliche Kredite, Subventionen oder Garantien bestehen können“ und „Unternehmen, die aus eigensüchtigen Beweggründen volkswirtschaftlich notwendige Güter verschwenden“.
Oft ist die Rede davon, dass auf Landes- oder kommunaler Ebene politisch nichts gehe und man für die großen Dinge den Bund braucht oder auf die EU warten müsse. Das stimmt so nicht. Anders als im Bund gibt es in Bremen die Möglichkeit, über einen Volksentscheid rechtlich bindende Gesetze zu verabschieden. Per Volksentscheid einen Stahlkonzern zu enteignen, der sich ohne massive Subventionen nach eigener Einschätzung nicht an völkerrechtlich verbindliche Klimaziele halten kann und ihn in demokratisch organisiertes Gemeineigentum zu überführen, das wäre linke Wirtschaftspolitik. Und dass Enteignungs-Volksentscheide auf Landesebene Gewinnchancen haben, hat Deutsche Wohnen & Co. enteignen in Berlin eindrucksvoll vorgemacht.
Der Kern linker Wirtschaftspolitik: Auf- und Ausbau der Alltagsökonomie
In Pflegeheimen und ambulanter Pflege arbeiten in Bremen genauso viele Menschen wie bei Mercedes. Allein in den kommunalen Krankenhäusern sind es zusätzlich noch einmal 8.000. Gesundheit und Pflege sind also deutlich wichtiger als der Luxusautobauer. Schon heute sind in Deutschland 40% der Beschäftigten in der sogenannten Alltagsökonomie beschäftigt, also den Teilen der wirtschaftlichen Grundversorgung, die wir fast alle fast jeden Tag zum Leben brauchen. Linke Wirtschaftspolitik muss die Leistung dieser wertvollen, unverzichtbaren Dienste und Güter nach und nach der Macht von Profit und Wettbewerb entziehen und gemeinwirtschaftlich und demokratisch organisieren.
In der Landesverfassung steht, wenn der Gebrauch von Eigentum dem Gemeinwohl zuwiderläuft, müssen bestimmte Unternehmen in Gemeineigentum überführt werden: „Durch Gesetz sind in Gemeineigentum zu überführen: Unternehmen, deren Wirtschaftszweck besser in gemeinwirtschaftlicher Form erreicht werden kann.“ Das trifft auf die gesamte Alltagsökonomie zu – denn hier hat Profitstreben nichts zu suchen. All die Betriebe und Strukturen, die Grundbedürfnisse bedienen, die wir alle brauchen, egal wieviel Geld oder welche Papiere wir haben, die wir als Menschen zum leben und überleben brauchen müssen an der Bedürfnisbefriedigung statt an Gewinn orientiert sein. Dafür gehören sie in öffentliches, demokratisches Eigentum. Das betrifft unter anderem Pflege und Gesundheitsversorgung, Bildung, Wasser und Abfallentsorgung, Mobilität und vieles mehr.
Eine gemeinwirtschaftliche Form zu finden, bedeutet auch, die kapitalistische Ausrichtung an maximalen Einnahmen, minimalen Ausgaben aus den bereits jetzt öffentlichen Unternehmen zu entfernen. Der öffentliche Nahverkehrs-Anbieter BSAG sollte nicht länger als AG, die meisten Eigenbetriebe nicht länger als GmbH organisiert sein, sondern an klimaneutraler Grundversorgung ausgerichtet werden. Und selbstverständlich gehört die Wohnraumversorgung in die Gemeinwirtschaft und ins Zentrum linker Wirtschaftspolitik: Das Recht auf Wohnen ist in der Landesverfassung ebenfalls verankert und Artikel 45 schreibt vor, übermäßig große Grundeigentümer zu enteignen: „Der Staat übt eine Aufsicht darüber aus, wie der Grundbesitz verteilt ist und wie er genutzt wird. Er hat das Fortbestehen und die Neubildung von übermäßig großem Grundbesitz zu verhindern.“ Enteignet werden kann Grundbesitz zum Beispiel soweit seine Überführung in Gemeinwirtschaft „zur Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses nötig ist.“
Und was grundsätzlich nicht geht in Bremen ist Spekulation mit Grundbesitz. Da dies das Hauptgeschäftsfeld privater Immobilienkonzerne ist, liegt hier ein massiver Rechtsverstoß vor, der abgestellt werden muss. Die Verfassung sagt unmissverständlich: „Grundbesitz ist der Spekulation zu entziehen. Steigerungen des Bodenwertes, die, ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.“
Mercedes, Airbus und die Mobilitätswende
Mercedes, der größte private Arbeitgeber in Bremen – wenn auch mit deutlichem Abstand nicht der größte Arbeitgeber an sich – wird mittelfristig umgebaut werden müssen. Von der Autoindustrie müssen wir zu einem Mobilitätssektor gelangen. Eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung zeigt auf, dass bei einer solchen sozial-ökologischen Neuausrichtung auf kollektive Mobilität der Großteil der Arbeitsplätze erhalten bliebe. Gespräche mit Betriebsräten und Ingenieur*innen bei Automobilzulieferern machen deutlich, dass dort niemand mehr am Produkt „Auto“ hängt und dass allen bewusst ist, dass eine Transformation ansteht. Da das Management jedoch nicht auf die echten Expert*innen, die Beschäftigten, hört, ist allerdings unklar, ob diese Transformation gelingt oder ob Standorte geschlossen werden, weil man den richtigen Moment verpasst. Die Ingenieur*innen sagen klipp und klar: wir können auch andere Dinge produzieren. Und selbst wenn an einem Standort mit Fließband keine Straßenbahn gebaut werden könnte, weil dafür eine große Halle notwendig ist, wäre eine Umstellung auf Wärmepumpen doch denkbar. Ein solcher gesteuerter, sinnvoll ausgerichteter und für alle Beteiligten gerechter Umbau kann und wird nur gelingen, wenn wir die Verfügungsgewalt über die Planung erhalten. Ohne die Eigentumsfrage zu stellen werden wir das Profitmotiv nicht aushebeln können, das in vielen Fällen im Endeffekt zu Schließungen und zur Deindustrialisierung führen wird.
Eine weitere wichtige Branche in Bremen ist die Luft- und Raumfahrt, eng verwoben mit der Kriegswaffenproduktion. Gekoppelt an den Flughafen Bremen ist der Standort von Airbus, der hier unter anderem Waffensysteme entwickelt und baut. Klar muss sein: Weder der Bremer Flughafen, noch die Privatjet- oder Waffenherstellung hat eine Zukunft. Das muss linke Wirtschaftspolitik eindeutig benennen. Das heißt allerdings bei Weitem nicht, dass wir die hoch qualifizierten Menschen im Stich lassen müssen, die dort arbeiten. Der Vorteil in Bremen ist, dass der Flughafen bereits in öffentlicher Hand ist. Er gehört schon uns und könnte damit eine Keimzelle und Grundlage für die Demokratisierung und den Ausbau der Grundversorgung sein. Was wenn hieraus die „Bremen versorgt sich selbst AöR“ entstehen würde – unter Einbeziehung des Wissens, der Expertise, sowie der enormen Kreativität und Energie des Servicepersonals und der Arbeiter*innen und Ingenieur*innen? In Großbritannien wurde in den Siebzigern von den Beschäftigten beim Rüstungskonzern Lucas Aerospace ein umfassendes Umbauprogramm erarbeitet. Es scheiterte am Management, das die Eigentümer*innen und ihr kurzsichtiges Profitinteresse vertrat. Der Vorteil in Bremen: wir haben schon das Eigentum und das Management an der Flughafen-Firma.
Die Herausforderung: Machtaufbau für revolutionäre Realpolitik
Linke Wirtschaftspolitik, Wirtschaftspolitik im Interesse der Vielen, zu entwickeln ist fachlich herausfordernd. Aber welche Herausforderung könnte besser sein, als im Sinne Rosa Luxemburgs revolutionäre Realpolitik zu entwickeln? Wirtschaftspolitik, die notwendigerweise das Ziel hat, den Kapitalismus zu überwinden, bedeutet eine Konfrontation mit dem Kapital. Der Volksentscheid von Deutsche Wohnen & Co enteignen in Berlin hat gezeigt, dass radikale Maßnahmen, die durchdacht, gerecht und für die Vielen materiell hoffnungsvoll sind, durchaus Mehrheiten hinter sich haben. Der Versuch eines Volksentscheids zur Vergesellschaftung des Bremer Stahlwerks wäre vor diesem Hintergrund mindestens einen Versuch wert. Anders als kompromissorientierte oder gar kapitalfreundliche Politik können eine klare Vision und transformative Projekte viele Menschen mobilisieren und begeistern.
Vielleicht können wir im Kräftemessen mit dem Kapital aktuell nicht bestehen, wenn wir in der Regierung sitzen. Dann müssen wir daraus die richtige Konsequenz ziehen und es uns zur Mission machen, die gegenhegemoniale Macht, die Macht an der Basis, in den Betrieben, Gewerkschaften, Nachbarschaften aufzubauen! Das ist anstrengend und geht nicht von heute auf morgen – aber ohne geht es nicht. Kollektiver Machtaufbau ist außerdem eine der schönsten Erfahrungen im menschlichen emotionalen Repertoire. Ein Volksentscheid für die Enteignung des Stahlwerks könnte genau das richtige Instrument sein, um über Organizing in den Stadtteilen und im Betrieb Mehrheiten zu mobilisieren.
Einwand: Aber wer soll das bezahlen?
Die Schuldenbremse und Sparzwänge sind selbst gemacht. Sie wurden durch das Kapital und die Leute, die ihre Ideologie übernommen haben – in Deutschland insbesondere die SPD unter Gerhard Schröder, durchgesetzt, um gezielt den Handlungsspielraum des Staates zu begrenzen. Es ist real schwer, auf Landesebene Auswege daraus zu finden, aber es tut sich schon heute was. Staatsfinanzen funktionieren nicht wie ein privater Haushalt; öffentliche Investitionen in die Gemeinwirtschaft sind Investitionen in die Zukunft. Dieses Verständnis setzt sich nach dem Niedergang des Neoliberalismus wieder durch – und muss erkämpft werden. Selbst Friedrich Merz muss sich jetzt, da er selbst an die Macht kommen könnte, ernsthaft überlegen, wie er mit den Fesseln umgehen will, die er ganz sinnvoll fand, solange sie andere gefesselt haben.
Im Übrigen muss die Schuldenbremse kein Hinderungsgrund für eine Vergesellschaftung von Arcelor Mittal sein. Denn auch hier hat die Landesverfassung vorgesorgt: „Bei der Festsetzung der angemessenen Entschädigung für Unternehmen, die in Gemeineigentum überführt werden, ist zu berücksichtigen, ob und in welchem Umfange die Unternehmen auf Kosten der Allgemeinheit, insbesondere aus Kriegsgewinnen entstanden oder erweitert sind. Insoweit ist eine Entschädigung zu versagen.“ Die Subventionen, die das Stahlwerk im Grünen Umbau „erweitern“ sollen sind immens, die entstandenen Klimaschäden, die die Allgemeinheit trägt, ebenfalls. Es gibt keinen Grund, warum zum Marktpreis entschädigt werden sollte.
Highlights der Landesverfassung
Dass die Landesverfassung wie für den aktuellen Fall von Arcelor Mittal geschrieben scheint, ist kein Zufall. Nach dem zweiten Weltkrieg, als es Vergesellschaftung in Artikel 15 des Grundgesetzes schaffte und sogar die CDU Wahlwerbung für Gemeinwirtschaft machte, war aus der Erfahrung der Machtübernahme durch die Nazis breiter gesellschaftlicher Konsens, dass die Macht privater Konzerne, insbesondere der Schwerindustrie, nie wieder so groß werden darf. In den 80er Jahren war die Vergesellschaftung der Stahlindustrie schon einmal großes Thema. Jetzt ist es dringend an der Zeit, diese Forderung wieder auf den Tisch zu legen.
Artikel 13
Eigentum verpflichtet gegenüber der Gemeinschaft. Sein Gebrauch darf dem Gemeinwohl nicht zuwiderlaufen.
Artikel 42
(1) Durch Gesetz sind in Gemeineigentum zu überführen:
a) Unternehmen, die [Monopolen, Konzernen, Trusts, Kartellen und Syndikaten angehören oder angehör(t)en]
b) Unternehmen, deren Wirtschaftszweck besser in gemeinwirtschaftlicher Form erreicht werden kann.
(2) Durch Gesetz können in Gemeineigentum überführt werden:
a) Unternehmen, die eine nicht auf eigener technischer Leistung beruhende Monopolstellung innerhalb der deutschen Wirtschaft einnehmen.
b) Die mit öffentlichen Mitteln für Rüstungszwecke geschaffenen Betriebe und die daraus entstandenen neuen Unternehmen.
c) Unternehmen, die volkswirtschaftlich notwendig sind, aber nur durch laufende staatliche Kredite, Subventionen oder Garantien bestehen können.
d) Unternehmen, die aus eigensüchtigen Beweggründen volkswirtschaftlich notwendige Güter verschwenden oder die sich beharrlich den Grundsätzen der sozialen Wirtschaftsverfassung widersetzen.
Artikel 43
Die Überführung in Gemeineigentum bedeutet, dass das Eigentum des Unternehmens entweder in das Eigentum des Landes Bremen [oder Stadt Bremen/Bremerhaven] oder in das Eigentum eines besonderen gemeinnützigen Rechtsträgers überführt […] wird.
Artikel 44
Bei der Festsetzung der angemessenen Entschädigung für Unternehmen, die in Gemeineigentum überführt werden, ist zu berücksichtigen, ob und in welchem Umfange die Unternehmen auf Kosten der Allgemeinheit, insbesondere aus Kriegsgewinnen entstanden oder erweitert sind. Insoweit ist eine Entschädigung zu versagen.
Artikel 45
(1) Der Staat übt eine Aufsicht darüber aus, wie der Grundbesitz verteilt ist und wie er genutzt wird. Er hat das Fortbestehen und die Neubildung von übermäßig großem Grundbesitz zu verhindern.
(2) Enteignet werden kann Grundbesitz auf gesetzlicher Grundlage,
a) soweit er eine bestimmte, vom Gesetz vorgeschriebene Größe übersteigt,
b) soweit sein Erwerb zur Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses […] nötig ist,
c) soweit sein Erwerb zur Schaffung lebensnotwendiger Anlagen wirtschaftlicher und sozialer Art erforderlich ist.
[…] (4) Grundbesitz ist der Spekulation zu entziehen. Steigerungen des Bodenwertes, die, ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.