Eine Wirtschaft, die uns gehört
Mai 20, 2021

Alternative Eigentumsmodelle als Bausteine einer demokratischen Wirtschaft

Privateigentum: Die Institution, die Grenzen zieht zwischen Besitzer*innen und Besitzlosen; zwischen jenen, die aus der Arbeitskraft anderer Nutzen ziehen und jenen, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um im Gegenzug einen lebensnotwendigen Lohn zu erhalten. Dies ist das Grundgerüst, auf das der Kapitalismus sich stützt: Es sichert die Möglichkeit der Anhäufung exponentiell wachsenden Reichtums für einige wenige und entscheidet somit auch, wer in wirtschaftspolitischen Prozessen über die Macht verfügt, Entscheidungen zu fällen. Eine radikale Kritik und der Versuch einer Transformation dieses Systems in eine demokratische Wirtschaft muss dementsprechend auf der Ebene des Eigentums ansetzen. Wie können wir Eigentumsmodelle verändern und verbessern, sodass politische und wirtschaftliche Macht gerecht verteilt wird? Wie können Arbeitnehmer*innen sich durch echte Teilhabe an Eigentum umfassende Rechte, Schutzmaßnahmen und Mitentscheidungschancen sichern? Wie können wir den  ökologischen Fußabdruck in der Produktion durch eine Abkehr von der Privatisierungslogik reduzieren? Der Eigentumsfrage wird im deutschen wirtschaftspolitischen Kontext bislang nur begrenzt Aufmerksamkeit gewidmet. Dies verändert sich erst allmählich durch die Initiative Deutsche Wohnen und Co. Enteignen, die ihren Appell für eine Vergesellschaftung von Wohnraum zunehmend in die Öffentlichkeit bringen.

Großbritannien: Eigentumsfrage im Zentrum der Debatte

Anders sieht es in Großbritannien aus: Nicht zuletzt eine Vielzahl progressiver ökonomischer Think Tanks positioniert die Eigentumsfrage und alternative Eigentumsmodelle als zentrales Thema. Die Labour Party unter Jeremy Corbyn hat es als politische Vision ins Zentrum der politischen Debatte gerückt. So wird beispielsweise im Alternative Models of Ownership Report 2017 die Vorherrschaft des Privateigentums als Haupttreiber zahlreicher Krisen identifiziert. Der Mangel an langfristigen Investitionen (z.B. im Kampf gegen die Klimakrise), sinkende Produktivitätsraten, steigende Ungleichheit und finanzielle Unsicherheit, sowie zunehmende Isolierung ländlicher Regionen gegenüber der finanzialisierten Metropolen gehören dazu. Im Gegenzug schlägt der Bericht alternative Eigentumsmodelle als effektive und vor allem realistische Alternativen vor, um diese Probleme an der Wurzel zu bearbeiten. Hierbei wird zwischen Kooperativen und Genossenschaften, kommunal und lokal verwalteten, sowie staatlichen Eigentumsformen unterschieden. Nach dem Subsidiaritätsprinzip, nach dem Entscheidungen immer auf der niedrigst möglichen Ebene getroffen werden, tragen alternative Eigentumsmodelle in Wechselwirkung miteinander und auf einer ganz grundsätzlichen Ebene zu einer nachhaltigen und Gerechtigkeit erweiternden Transformation der Wirtschaft bei.

„Alternative Models of Ownership“

Der Alternative Models of Ownership Report geht mit der Kampfansage an private Eigentumsverhältnisse weit über den Ausbau der Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmer*innen im Betrieb hinaus. Er versteht die Sphäre der Wirtschaft insgesamt als politisch: Demokratische Prozesse und Strukturen müssen die Ökonomie gestalten und regulieren. Die Aufhebung der Hegemonie privaten Eigentums beinhaltet dabei eine grundlegende Veränderung der wirtschaftlichen Ausrichtung. Wo das gegenwärtige – um Privateigentum organisierte – Wirtschaftssystem das Augenmerk auf kurzfristige Investitionen und Gewinne richtet, ermöglicht die Einführung alternativer Eigentumsmodelle die langfristige Planung wirtschaftlicher Investitionen und Produktion. Insbesondere im Kontext der eskalierenden Klimakrise ist dies von essenzieller Bedeutung. Der Mangel an öffentlichen Ausgaben und der daraus resultierende Rückbau öffentlicher Dienstleistungen und Sicherheitsnetze (Krankenpflege, öffentliche Verkehrsinfrastruktur, Wohnbau etc.) sind in ihren verheerenden Auswirkungen insbesondere im Zuge der Coronapandemie deutlich zu spüren. Auch hier können alternative Eigentumsmodelle entgegenwirken, indem lokal und regional erzeugter Wohlstand auch vor Ort verbleibt und die lebensnotwendige Fundamentalökonomie stärkt, statt an anonyme Konzernzentralen abzufließen. Schließlich stellen alternative Eigentumsmodelle im Zusammenhang mit der zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung ein wichtiges Instrument dar, diese Entwicklungen gerecht zu gestalten. Gegenwärtig stehen bei der Automatisierung unter der Privatisierungslogik Kapitalinteressen über jenen der Arbeitnehmer*innen. Anstatt zu massiver Arbeitslosigkeit und rasant  wachsenden Privatgewinnen zu führen, garantiert kollektives Eigentum an Unternehmen, dass die zunehmende Automatisierung nicht auf Kosten der Beschäftigten erfolgt, sondern im Gegenteil Arbeitszeitverkürzungen bei Lohnausgleich ermöglicht. Ähnlich weist die digitale Ökonomie – gegenwärtig von zunehmender Überwachung, Manipulation und Kontrolle gekennzeichnet – als kollektives Eigentum vielfältige Vorteile auf. Persönliche Daten unterlägen der Kontrolle der Menschen selbst und statt privater Profite würden kostenfreie Zugänge zu essentiellen digitalen Dienstleistungen gewährleistet. 

Demokratische Eigentumsmodelle umsetzen

Das Potenzial demokratischer Eigentumsmodelle für die sozial-ökologische Transformation ist enorm. Vorbilder selbstverwalteter Betriebe unter Arbeitnehmer*innenkontrolle weltweit zeigen, dass Unternehmen durch die Übernahme von Arbeiter*innen nach einer Insolvenz nicht nur produktiver und resilienter wieder aufgebaut werden können, sondern wie dies auch auf eine solidarische und nachhaltigere Art und Weise gelingen kann. Beispiele von Busunternehmen, die im Vereinigten Königreich durch Belegschaftsaktien die Vermögensbildung in Arbeiter*innenhand fördern, zeigen, dass eine effiziente und emissionsarme öffentliche Verkehrsinfrastruktur tatsächlich von Arbeiter*innen selbst organisiert und Gewinne gerecht verteilt und reinvestiert werden können. Deutsche Wohnen und Co. Enteignen verdeutlicht, dass immer mehr Mieter*innen eine Vergesellschaftung des Wohnungsmarktes befürworten und unterstützen: Wohnraum ist keine private Angelegenheit, sondern öffentliches Recht! Privateigentum hat sich über die letzten 250 Jahre im Kern der Wirtschaft festgebissen. Es wird Zeit,  es durch neue Formen der wirtschaftlichen Organisation zu ergänzen und zu ersetzen.

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