Demokratisierung im Verkehrssektor: Konversion des Autosektors
Mai 30, 2024

Diese zweiteilige Reihe basiert auf Auszügen der Masterarbeit von communia’s Max Wilken von 2020. Aktuell vertieft Max diese Forschung im Rahmen seiner Doktorarbeit. Der erste Beitrag ist eine Fallstudie zur Bahn, im zweiten wird der Umbau der Automobilindustrie thematisiert. Die Leitfrage: wie kann die Demokratisierung des Verkehrssektors als Transformationsstrategie für eine sozial gerechte Verkehrswende dienen?

Zur Notwendigkeit der Konversion

Mit einem Umsatz von 436,2 Mrd. Euro (2019) ist die Automobilindustrie nach dem Maschinenbau der größte Industriezweig Deutschlands. Der Beitrag der Autoindustrie zur Bruttowertschöpfung liegt bei etwa 134,9 Mrd. Euro (4,7%). Inklusive der Zulieferer beschäftigt die Branche etwa 833.000 Menschen (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2020). Die weitere volkswirtschaftliche Beschäftigungswirkung der Autoindustrie ist Gegenstand lebhafter Debatten. Die Automobillobby und zahlreiche Politiker*innen behaupten regelmäßig, jeder 7. Arbeitsplatz hänge von der Autoindustrie ab. Konservativere Schätzungen gehen von insgesamt etwa 1,7 Mio. von der Autoindustrie abhängigen Beschäftigten aus (etwa jeder 25. Arbeitsplatz; Adler, 2010).

Die Automobilindustrie ist extrem energie- und ressourcenintensiv, sowohl auf der Produktions- als auch auf der Verwendungsseite. Von der Produktion zum Recycling verursacht ein durchschnittliches Auto der VW-Gruppe etwa 43,7t CO2-Äquivalente. Davon entfallen 34,5 Tonnen (etwa 79 %) auf den Treibstoffverbrauch und 9,2 Tonnen auf Produktion, Lieferketten und Recycling (21 %). Das Verhältnis von Brennstoffemissionen und Produktion- sowie Recyclingemissionen verschiebt sich bei Elektrofahrzeugen. Ein durchschnittliches Elektrofahrzeug verursacht bereits in der Herstellung etwa 15,2 Tonnen CO2-Äquivalente. Die Ressourcenintensität der Produktion nimmt mit der Größe zu und gerade Elektroautos der Luxusklasse verbrauchen schon vor der ersten Fahrt enorme Ressourcenmengen. Insgesamt verursachen allein die von VW, Daimler und BMW im Jahre 2018 produzierten Fahrzeuge mehr CO2-Emissionen über ihre Lebenszeit als der gesamte jährliche deutsche CO2-Ausstoß (Stephan, Lee & Kim, 2019).

Um eine Chance auf die Wahrung des 1,5 Grad Ziels zu erhalten, müssten laut Studien 2028 die letzten Autos mit konventionellem oder Hybridantrieb verkauft werden (van den Adel, Kugler & Schmid, 2018). Die bisher von der Industrie verkündeten Ziele reichen dafür bei Weitem nicht aus. So hält beispielsweise Volkswagen an der Produktion konventionell betriebener Autos bis 2040 fest (Koch, 2019). Die Behauptungen aus der Industrie sind zudem wenig glaubwürdig, wenn man die Entwicklungen der letzten Jahre betrachtet. Durchschnittliche Emissionen von Neuwägen sind zwischen 2001 und 2018 nur um etwa 8,5 % zurückgegangen und zwischen 2016 und 2018 sogar wieder gestiegen (Umweltbundesamt, 2020). Insgesamt ist der gegenwärtige Kurs der Industrie selbst unter optimistischen Berechnungen nicht mit dem Klimaschutz vereinbar (Groneweg & Weis, 2019).

Im Gegensatz zum Bahnverkehr, der als Alternative ausgebaut werden muss, steht der Automobilsektor damit vor dem umgekehrten Problem: Das gegenwärtige Produktionsniveau ist nicht mehr zukunftsfähig und muss reduziert werden. Gleichzeitig müssen umfassende Investitionen in neue Antriebe getätigt werden. Es stellt sich also die Frage, wie die Automobilindustrie sozial verträglich umgebaut werden kann.

Eigentums- und Unternehmensstrukturen im Automobilsektor

Die Automobilindustrie in Deutschland ist von der Dominanz drei großer Konzerne geprägt (der Volkswagen AG, der BMW Group und der Daimler AG). Diese im Fachjargon OEMs (Original Equipment Manufacturer) genannten Großkonzerne haben im Jahr 2019 etwa 16 Mio. Fahrzeuge hergestellt (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2020). Die Konzerne sind nicht mit den entsprechenden Marken zu verwechseln, denn sie vereinen zahlreiche weitere Tochtergesellschaften unter ihrem Dach. So gehören beispielsweise zur Volkswagen AG unter anderem noch die Marken Seat, Skoda, Audi, Porsche, MAN, Bentley und Lamborghini (VW-Geschäftsbericht, 2019).

Die drei großen Automobilkonzerne verfolgen seit Jahren die Strategie, durch Fusionen und Beteiligungen den Markt weiter zu monopolisieren. So hat das Volumen und die Anzahl der Mergers & Acquisitions in der Automobilindustrie seit den 80er Jahren konstant zugenommen (PwC, 2017). Ergebnis dieser Strategien ist eine gigantische Zunahme der Marktmacht der großen Hersteller. Analog zum gesamtwirtschaftlichen Trend zu höheren Dividenden haben die Automobilunternehmen ihre Dividendenausschüttungen stetig erhöht. Gleichzeitig hat der Anteil der Investitionen am Umsatz in der gesamten Automobilindustrie leicht abgenommen, – ebenfalls analog zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Legler, Gehrke, Krawczyk, Schasse, Rammer, Leheyda & Sofka, 2009). Die Gewinnverwendung tendiert damit insgesamt zu einer hohen Sparrate. Stark steigende Profite, kombiniert mit leicht sinkenden Investitionen und leicht steigenden Dividenden haben zu einem Wachstum der Vermögen geführt (Redeker, 2019). Diese werden über die konzerninternen Finanzunternehmen im globalen Finanzmarkt investiert. Die Finanzabteilungen managen nicht nur die Vermögenswerte der Konzerne sondern gewinnen auch für die Umsätze an Bedeutung. So erwirtschaftete beispielsweise die Daimler Mobility AG (ehemals Daimler Financial Services), die sich auf Versicherung, Leasing und Finanzierung konzentriert etwa 16,5 % der Gewinne des Gesamtkonzerns (Daimler AG, 2020).

Es ist zu vermuten, dass die Autokonzerne auch auf Steuervermeidungsstrategien zurückgreifen, um ihre Marktmacht zu festigen. Dies lässt sich empirisch nur schwer belegen, denn Unternehmen sind momentan nicht verpflichtet darzulegen, wieviel Steuern sie an welchen Standorten zahlen (country-by-country reporting). Janský (2017) zeigt, dass der Effektivsteuersatz deutscher multinationaler Unternehmen bei 19,6 % und damit gut 10 % unter dem seit den 1980er-Jahren stetig gefallenen Unternehmenssteuersatz von 29,6 % liegt. So verlegte beispielsweise VW 2012 mehrere Tochtergesellschaften von seiner niederländischen Holding nach Luxemburg (Hage & Hesse, 2017). Über Steuervermeidungsstrategien hinaus hinaus gibt es Anzeichen für Kartellbildungen (Breitinger & Zacharakis, 2017), sowie Versuche Arbeitnehmervertreter*innen zu korrumpieren (Gaisenkersting, 2019). Gegenüber der Politik werden die Autokonzerne durch den gut vernetzen und finanzierten Lobbyverband VDA (Verband der deutschen Autoindustrie) repräsentiert. Zusätzlich flossen zwischen 2009 und 2018 etwa 10 Mio. Euro an Parteispenden aus der Industrie (Lobbypedia, 2020). Laut der EU-Kommission investieren die Konzerne darüber hinaus 8,19 Mio. Euro jährlich in die Lobbyarbeit bei der EU.

Die Aktivitäten der Autounternehmen sind Ergebnis einer Unternehmenspolitik, die sich an den Interessen großer institutioneller Investoren ausrichtet. Entsprechend sind langfristige Ziele wie der Klimaschutz, der Erhalt der Beschäftigung und das Überleben der Unternehmen innerhalb des Strukturwandels nicht die höchste Priorität. Am Beispiel der Aktionärsstruktur der Daimler AG zeigt sich die Internationalisierung und Bedeutung institutioneller Investoren (Abbildung 1).

Anteil

Anteilseigner (Daimler AG Annual Report 2019)

9,69%

Tenaclou3 Prospect Investment Limited

6,80%

Kuwait Investment Authority (KIA)

5,13%

Bank of America Corporation

5,00%

Beijing Automotive Group (BAIC)

4,93%

Harris Associates

4,47%

BlackRock

3,10%

Renault-Nissan

37,27%

institutionelle Investoren mit nicht-meldepflichtigen Anteilen

23,6%

Privatpersonen

Abbildung 1: Aktionärsstruktur der Daimler AG, eigene Abbildung (Daimler AG, 2020).

Die Folgen der Finanzialisierung des Unternehmens und der Orientierung am Shareholder-Value sind also auch in der Automobilindustrie deutlich spürbar. Längst ist nicht mehr das Ziel, gute Autos zu bauen, sondern einen möglichst hohen Aktionärswert zu erzielen. Die Enwicklungen der letzten Jahre haben die Machtposition der OEMs zementiert. Diese haben aufgrund ihrer finanziellen Ressourcen und strategisch wichtigen Positionen hohes Druckpotential gegenüber ihren Zulieferern (Blöcker, Dörre & Holzschuh, 2020). Auch innerhalb der Unternehmen dominieren die Konzernzentralen gegenüber dem lokalen Management und üben hohen Kostendruck aus. Diese Zentralisierung steht dem Umbau der Produktion erheblich im Wege, denn sie verhindert, dass einzelne Fabriken, Tochterunternehmen oder Zulieferer ihre Produktion zukunftsfähig umstellen. Impulse für industrielle Entwicklungspfade werden in den Konzernzentralen gesetzt und durch Preisdruck, Zertifizierung und rigide Managementstrukturen in der Lieferkette weitergegeben (Blöcker, Dörre & Holzschuh, 2020).

Konversionsperspektiven

In den letzten Jahren ist der Begriff der Konversion wissenschaftlich wieder aufgenommen worden und auf die Automobilindustrie angewandt worden. Zentrale Bezugspunkte sind dabei das Transformationspotential der OEMs und Zulieferer und die Perspektive der Beschäftigten auf den Strukturwandel. So untersucht das Projekt Con-Labour die Konversionspotenziale der österreichischen Automobilzulieferindustrie (Högelsberger & Maneka, 2020). Des Weiteren untersucht eine Studie im Auftrag der Otto Brenner Stiftung die Transformationspotentiale und Einstellungen der Beschäftigten in den neuen Bundesländern (Blöcker, Dörre & Holzschuh, 2020).

Blöcker, Dörre und Holzschuh (2020) zeigen in ihrer Untersuchung der Automobilindustrie in den neuen Bundesländern vier Realtypen der betrieblichen Strategiefähigkeit auf. Die ‚Chancenreichen‘ zeichnen sich durch hohe Unabhängigkeit vom konventionellen Antrieb und hohe Strategiefähigkeit aus. Diese Unternehmen verfügen zum Teil selbst über Entwicklungsabteilungen und sind daher in der Lage, selbst unabhängig zu innovieren. Die ‚Naiven‘ setzen nach wie vor auf konventionelle Antriebe, sind aber aufgrund von Spezialisierung und technischer Kompetenz prinzipiell in der Lage, auch andere Produkte herzustellen. Die ‚Passiven‘ sind zwar unabhängig von konventionellen Antrieben, dafür aber abhängig von Mutterkonzernen im In- und Ausland und daher kaum selbst strategiefähig. Sie befinden sich zudem oft in starker Standortkonkurrenz und haben daher wenig Spielraum für eigene Innovation und Investition in alternative Produkte. Die letzte Gruppe bilden „die Gefährdeten“, die sowohl abhängig von konventionellen Antrieben als auch kaum fähig sind, eigene strategische Entscheidungen zu treffen. Diese Betriebe sind oftmals kaum innovationsfähig und von der Insolvenz bedroht.

Die Untersuchungen zeigen, dass die Beschäftigten in Bezug auf die Zukunft der Industrie vor allem auf die Modernisierung des Verbrennungsmotors setzen. Daneben spielt die Differenzierung der Produktpalette in Richtung Elektromobilität und alternativer Antriebe eine Rolle, weniger jedoch eine umfassende Transformation des Verkehrssektors. Ein starkes Krisenbewusstsein, aber auch ein Festhalten an konventionellen Antriebssträngen prägt die Einstellungen der Beschäftigten. Ökologische Transformation wird vor allem als Bedrohung für den eigenen Arbeitsplatz wahrgenommen. Die hohe Abhängigkeit von den Konzernzentralen und den OEMs wird kritisiert, aber größtenteils als unveränderlich angenommen (Blöcker, Dörre & Holzschuh, 2020). In diesem Sinne spiegelt die Erwartungshaltung der Beschäftigten realistisch die gegenwärtigen politischen Machtverhältnisse und die Entscheidungsstrukturen der den Markt dominierenden Unternehmen wider (Brand, 2019). Unter den gegenwärtigen Machtverhältnissen innerhalb der Betriebe und den politischen Rahmenbedingungen gehen die Beschäftigen mit Recht davon aus, dass ökologischer orientierte Politik auf Kosten ihrer Arbeitsplätze und Löhne gehen würde. Entsprechend ist es wenig verwunderlich, dass ein Fokus auf Individualmobilität vorherrscht und ideologisch gerechtfertigt wird (Wissen, 2019).

Die Untersuchungen zeigen jedoch auch ein hohes Vertrauen der Beschäftigten in ihr eigenes Wissen, Fähigkeiten und den Betrieb selbst. Die technologischen Anforderungen des Automobilsektors werden als hoch angesehen, und entsprechend sehen die Beschäftigten ihre Betriebe in der Lage, auch über die Automobilindustrie hinaus zu produzieren. Die hohen Qualifikationen und technischen Fähigkeiten, die die Automobilproduktion erfordert, sind oftmals wichtiges Druckmittel in betrieblichen Auseinandersetzungen. Das eigene Know-How wird in diesem Kontext als wichtiger Hinderungsgrund für Standortverlagerungen angesehen (Högelsberger & Maneka, 2020).

Insgesamt zeigt sich, dass die gegenwärtigen Strukturen der Betriebe das Innovationspotenzial jenseits und zum Teil innerhalb des Systems Automobil einschränkt. Die hierarchischen Strukturen und Abhängigkeiten von den Konzernzentralen der OEMs verhindern strategische Planung und sind damit eine starke Konversionsblockade. Das nötige Know-How für betriebliche Konversion liegt dezentral bei den Arbeitenden und den Betrieben, die Entscheidungsmacht ist aber zentralisiert bei den Konzernen.

Demokratisierung der Automobilindustrie

Das gegenwärtige Niveau der Individualmobilität und damit das Produktionsniveau der Automobilindustrie ist nicht zukunftsfähig. Es gilt daher, einen Prozess der Konversion zu gestalten, der die Betriebe der Automobilproduktion auf gesellschaftlich sinnvolle Produktion zum Beispiel im Bereich der öffentlichen Mobilität und den alternativen Antriebssträngen umstellt (Candeias, 2011). Die Einbindung der Beschäftigten ist dafür zentral. Eine allein durch Regulierung forcierte Konversion wird mit starken Widerständen in betroffenen Regionen und unter den Beschäftigten zu rechnen haben. Demokratisierung könnte Akzeptanz für den nötigen Strukturwandel herstellen und das Wissen, die Fähigkeiten und die politische Kraft der Beschäftigten für Konversionsprozesse mobilisieren.

Wie könnte die Automobilindustrie umgestaltet werden, sodass betriebliche Konversion zur realistischen Perspektive wird? Ein erster Schritt wäre die Verankerung umfangreicher Mitbestimmungsrechte im Automobilsektor. Die Reform der Unternehmensstruktur könnte eine Blaupause dafür bieten. In Deutschland gibt es mit dem Montanmitbestimmungsgesetz bereits einen Präzedenzfall für die Herstellung einer ‚echten‘ Parität zwischen Arbeitenden und Anteilseigner*innen. Ein transformativer Schritt wäre, die Mitbestimmung im Automobilsektor in ähnlicher Weise zu reformieren und damit den Umbauprozess demokratisch gestaltbar zu machen. Darüber hinaus ist jedoch im Kontext der ökologischen Krise sinnvoll, Aufsichtsratsplätze für Fürsprecher*innen der Umwelt festzuschreiben (zum Beispiel nach einer 40-40-20 Verteilung von Stimmrechten). Außerdem müsste ein neues Mitbestimmungsgesetz die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens explizit als Aufgabe von Aufsichtsräten verankern und sozial-ökologische Zielstellungen verpflichtend im Unternehmensgegenstand verankern.

Neben der Mitbestimmung in den Großunternehmen gilt es auch auf regionaler Ebene demokratische Mechanismen zu verankern, die Perspektiven für die industrielle Transformation entwickeln. Um Konversion zu ermöglichen, müssen besonders Zulieferbetriebe und Tochterunternehmen, die oftmals wenig strategische Handlungsfähigkeit haben einerseits demokratisiert und andererseits ermächtigt werden. Das Konzept regionaler Transformationsräte (Urban, 2019) bietet sich für eine Begleitung solcher Prozesse an. In solchen Räten könnten Vertreter*innen lokaler Politik, Arbeitende und kommunale Wirtschaftsförderungen gemeinsam Konzepte zur Finanzierung und Gestaltung betrieblicher Konversionsprozesse erarbeiten und diese in eine transformative Lokalpolitik einbinden.

Die Demokratisierung der Automobilindustrie wird ihr Potenzial nur im Kontext einer aktiven Industriepolitik und einem angemessenen regulatorischen Rahmen entfalten können. Bestehende Regelungen reichen nicht aus um Anreize für betriebliche Konversion zu setzen. Zu einer stärkeren Regulierung der Industrie gehören Anpassungen bei der Energiesteuer, die Reform der EU-Flottengrenzwerte sowie die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen. Eine dahin gehende Regulierung der Automobilindustrie ist essenziell um Anreize für Konversionsprozesse zu setzen. Des Weiteren sind umfassende Investitionen in öffentliche Mobilität nötig, sodass Betriebe der Automobilproduktion auf diese Bereiche umstellen können. Wie im letzten Beitrag dieser Reihe skizziert, ist die Reform der Bahn und ein Investitionsprogramm für den Schienenverkehr und ÖPNV die notwendige Kehrseite eines Rückbaus des Automobilsektors.

Demokratische Wirtschaft für eine klimagerechte Verkehrswende

Wie kann der ökologische Umbau des Verkehrssystems gelingen? Die Notwendigkeit einer stärkeren Rolle des Staates sowohl in Bezug auf die Regulierung des Verkehrssektors als auch in Bezug auf die Infrastrukturpolitik ist zentral. Darüber hinaus möchte ich jedoch den Fokus auf einen weiteren wichtigen Akteur des Wandels werfen – nämlich die Unternehmen. Insbesondere die Konzerne der Automobilindustrie haben unter anderem aufgrund ihrer Bedeutung für die Beschäftigung eine entscheidende Rolle für das Gelingen einer Verkehrswende. Daneben sind aber auch die öffentlichen Unternehmen, zum Beispiel in Form der Deutschen Bahn AG oder der regionalen Verkehrsunternehmen von großer Wichtigkeit. Die konkreten Politikvorschläge, die in der Verkehrswendeliteratur betont werden, zielen auf eine Beeinflussung der Unternehmen durch Setzung von regulatorischen Rahmenbedingungen ab und nehmen die internen Entscheidungs- und Eigentumsstrukturen sowie Machtverhältnisse in modernen Großunternehmen größtenteils als gegeben an. Die Perspektive auf die staatlichen Rahmenbedingungen muss daher mit einem kritischen Blick auf die Struktur der Unternehmen selbst ergänzt werden. Unternehmen – ob in öffentlicher oder privater Hand – sind zentrale Akteure des Wandels. Bisherige Debatten betrachten diese größtenteils aus einer regulatorischen Perspektive und nehmen damit die interne Struktur der Unternehmen als gegeben an.

Die Bewältigung der Klimakrise verlangt jedoch auch nach einem Neudenken der Machtverteilung innerhalb der Unternehmen. Solange diese allein im Sinne der Erhöhung des Shareholder-Values regiert werden, werden sie ein Hindernis für den nötigen Wandel sein. Eine neue Machtverteilung im Unternehmen ist nötig, die die Unternehmen in die Lage versetzt, zu Akteuren des Wandels zu werden. Ein Schritt in diese Richtung wäre die Demokratisierung von Großunternehmen.

Demokratische und egalitäre Forderungen wurden historisch nie ohne Kämpfe gegen dominante Eliten umgesetzt. Die Demokratisierungsperspektive versucht Analyse und Umsetzung zusammenzudenken. Wenn der sozial-ökologische Umbau gelingen soll, braucht es überzeugende Narrative, die umsetzbare politische Forderungen und breite gesellschaftliche Mehrheiten hervorbringen können. Dafür ist insbesondere die Perspektive der Beschäftigten zentral. Diese verfügen über das notwendige Wissen für die Konversion ihrer Betriebe und müssen daher für die sozial-ökologische Transformation gewonnen werden. Unter den gegenwärtigen Machtverhältnissen innerhalb der Unternehmen befürchten die Beschäftigten jedoch mit Recht, dass ökologische Reformen auf ihrem Rücken ausgetragen werden könnten. Die Demokratisierungsperspektive versucht, den dadurch entstehenden Konflikt zwischen ökologischen Forderungen und den Interessen der Beschäftigten aufzuheben. Demokratisierungsforderungen könnten bisher eher gegensätzliche politische Akteure wie die Klimabewegung und die Gewerkschaften, zusammenbringen und politisch schlagkräftiger werden lassen.

Dies wird insbesondere aufseiten der Gewerkschaften ein Umdenken verlangen. Die gewerkschaftliche Aktivität beschränkt sich heute auf Mitbestimmungspolitik am Arbeitsplatz, Kämpfe um Tariflöhne und Arbeitsrechte und verfolgt nur noch selten größere gesellschaftliche Visionen. Diese Entwicklung schadet auch den Gewerkschaften selbst, denn ohne Anbindung an ein größeres Projekt können sie leicht als Vertretung von Partikularinteressen dargestellt werden. Über die Interessenvertretung der organisierten Arbeiter*innenschaft hinaus gilt es, gewerkschaftliche Politik wieder im Kontext eines transformativen politischen Projekts zu verankern. Die demokratische Wirtschaft als Demokratisierung großer Unternehmen und der Wiedergewinnung des öffentlichen Eigentums könnte ein Ansatzpunkt dafür sein. Die Frage, wie die Gewerkschaften zu Akteuren der Demokratisierung werden können, wirft eine Reihe weiterer – ausgesprochen lohnenswerter – Fragen auf.

Quellen

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